Was ist Hochbegabung?

Was ist Hochbegabung?

Intellektuelle Hochbegabung zeichnet sich durch eine deutlich überdurchschnittliche Befähigung im kognitiven Bereich, also in Merkmalen, die mit der Intelligenz zusammenhängen, aus. 

Intelligenz ist wiederum ein breites Bündel einzelner Fähigkeiten, die gemein haben, auf der geistigen Ebene zu liegen. Darunter fallen mathematisch-räumliche Fähigkeiten ebenso wie sprachliche und soziale. 
Hochbegabte Kinder können außergewöhnliche Leistungen in einem, mehreren oder allen dieser Felder leichter fallen, als anderen Menschen ihres Alters. Manche sind auch in einem Bereich extrem begabt, liegen in anderen Aspekten aber im durchschnittlichen oder auch unterdurchschnittlichen Bereich.
Das Wichtigste ist: Hochbegabte Kinder sind vor allem eines - Kinder. In vielerlei Hinsicht haben sie dieselben Bedürfnisse und durchleben dieselbe Persönlichkeitsentwicklung wie Gleichaltrige. Der Bereich, in dem sie sich unterscheiden, ist ihre außergewöhnliche intellektuelle Befähigung im Vergleich zu ihren Altersgenossen. Sie verstehen mehr, denken schneller und vernetzen intuitiv Informationen viel komplexer als die anderen Kinder. Hierin liegen ihr großes Potenzial und eine ebenso große Herausforderung.
Denn die emotionale Entwicklung, die Regulation von Gefühlen, Bedürfnissen und das soziale Verständnis, die Feinmotorik und das Körpergefühl können mit diesem „intellektuellen Schnellzug“ oft nicht mithalten. Und so bewegen sich die Kinder schnell in einem Spannungsfeld, in dem ihr kognitives Potenzial mit emotionalen und körperlichen Fertigkeiten ausbalanciert werden muss. 
hochbegabtes Kind am Computer
Es ist so, als würden die Kinder mit unterschiedlich großen Bällen jonglieren. Die kleinen Bälle gleiten schnell aus der Hand. Der große Ball, das kognitive Verstehen, lässt sich leicht fassen und wird zu dem, an dem sich die Kinder oft festhalten, wenn es im Alltag schwierig wird. Dann werden Probleme durchdacht, anstatt einfach erledigt, Hausaufgaben ausdiskutiert, anstatt angefertigt, mit dem Kopf durch die Wand argumentiert, anstatt nachzugeben oder mitzumachen. 
Dieses Spannungsfeld ist für Außenstehende oft nicht sichtbar. Sie reagieren, indem sie den Kindern „Etiketten“ aufkleben: Genies sollen sie sein, Überflieger, denen alles leicht fällt, die Erwachsene in deren Fachgebiet an die Wand argumentieren. 
Oft hört man auch, hochbegabte Kinder, könnten sich nicht sozial zurechtfinden, wären isoliert, schüchtern und nicht in der Lage, Kontakt mit gleichaltrigen Mitmenschen zu pflegen. All dies sind Urteile, die von dem Bild eines Kindes ausgehen, dass so ganz anders denkt und fühlt als Menschen seines Alters. 
Dabei gleichen hochbegabte Kinder keineswegs wie ein Ei dem anderen. Sie sind unterschiedlich und individuell in ihren Anlagen, Interessen und Potenzialen. Das macht es nicht immer leicht, hochbegabte Kinder als solche zu erkennen. Denn Hochbegabte können ebenso Legastheniker sein und aufgrund von Schulunlust oder sozialer Anpassung ihr Potenzial nicht ausschöpfen, wie alle anderen Kinder auch. 

Wo beginnt Hochbegabung?

Unter Hochbegabung wird eine außergewöhnliche, auch extreme, intellektuelle Begabung verstanden. Daher hat sich die Wissenschaft auf eine Grenzziehung geeinigt, die Hochbegabte sehr eindeutig von durchschnittlich oder auch überdurchschnittlich begabten Menschen trennen soll. 

Als Maß dient hierbei die mit psychologischen Testverfahren ermittelte Intelligenz. Auf die gesamte Bevölkerung betrachtet, folgt sie einer sogenannten Normalverteilung. 
Aus Sicht der Wissenschaft spricht man von Hochbegabung, wenn ein Kind innerhalb der obersten 2,28 Prozent dieser Verteilung liegt. In anderen Worten: Hochbegabte stellen in etwa die intelligentesten zwei Prozent der Bevölkerung dar. Das entspricht einem Intelligenzquotienten (IQ) von 130 oder mehr.
In der Lebensrealität ist dieses Maß nicht annähernd so absolut, wie es sein fester Zahlenwert nahelegt. Ein Kind mit einem IQ von 128 unterscheidet sich in seiner Leistungsfähigkeit und Begabung praktisch nicht von einem Kind mit einem IQ von 130 oder 132. Auch trifft der IQ keine Aussage darüber, wie sich ein Kind tatsächlich entwickelt, ob es in der Lage ist, seine Intelligenz zu nutzen oder ob es ausreichend gefördert wird. Hier wurde einfach eine Grenze gezogen, die dem Bedarf der Wissenschaft nach einer eindeutigen Definition entspricht. Über die bestmögliche Förderung des Kindes entscheiden viele weitere Kriterien. 

Hohe Begabung = hohe Leistung?

Von hochbegabten Kindern werden oft außergewöhnliche Leistungen erwartet. Das entspricht der Vorstellung, jemand, der besonders intelligent ist, müsste bei intellektuellen Aufgaben auch immer sehr gut abschneiden. Denn schließlich fallen ihr oder ihm diese Leistungen ja besonders leicht. In der Realität handelt es sich hierbei um einen Trugschluss. 
Hochbegabung ist nicht mit hoher Leistung gleichzusetzen. Vielmehr handelt es sich um die Möglichkeit, das Potenzial, außergewöhnliche Leistungen zu vollbringen. Ob es tatsächlich gelingt, insbesondere dauerhaft, ist von vielen Faktoren abhängig. 
In dieser Hinsicht ist Hochbegabung wie der Setzling eines Baumes. Die Möglichkeit, dass der Baum hoch hinaus wächst, ist im Setzling angelegt. Ob er als Baum tatsächlich einmal hoch und weit in den Himmel ragen wird, hängt von vielen Faktoren ab – zum Beispiel Sonne, Klima, Standort, Tiere, Menschen. 
Hochbegabte Kinder können, wenn sie in der Lage sind, ihre Potenziale voll zu entfalten, tatsächlich erstaunliche Leistungen vollbringen. Ihre Möglichkeiten dazu sind grundsätzlich größer als jene normalbegabter Menschen. Ob sie diese Möglichkeiten realisieren, hängt von einer Reihe an Umständen ab – etwa familiäre und schulische Förderung, soziales Umfeld, individuelle Leistungsbereitschaft oder Motivation. Denn Begabung ist nicht gleich Leistung!

Hochbegabung und Umfeld

Die intellektuelle Entwicklung von Kindern beginnt nicht erst in der Schule. Schon in den ersten Lebensjahren, im Kindergarten und der Familie werden wichtige Grundsteine gelegt. Das unmittelbare Umfeld gibt dem Kind Orientierung und prägende Erfahrungen mit auf den Lebensweg.
Ob und wie sich Hochbegabung letztlich entfaltet, ob ein Kind seine Potenziale ausschöpfen kann, dafür ist maßgeblich, ob ihm ein Umfeld geboten wird, in dem es lernen, wachsen und auch einfach Kind sein darf. Darum ist es wichtig, angemessen auf Interessen einzugehen, zuzuhören und zu erklären – bei Bedarf auch professionelle Unterstützung zu suchen. Hochbegabung ist kein Selbstläufer, das Kind keine autonome Lernmaschine. Eltern, Erzieher und Lehrer sind gefragt, wenn es darum geht, Startbedingungen zu schaffen, die es dem hochbegabten Kind ermöglichen, die Möglichkeiten seiner Anlagen bestmöglich zu nutzen und Freude an ihnen zu haben.
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